Am Ende des Lebens: Was uns Hoffnung gibt - September 2014

Auf dem letzten Weg will er ihr beistehen. In Liebe sie zur Sterbehilfe in die Schweiz begleiten, wenn sie es
wünscht. So äußerte sich der Vorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider. Seine Frau ist an Brustkrebs erkrankt. Dennoch, bestürzt nehme ich seine Position auf, steht sie konträr zur öffentlichen Meinung der EKD. Diese lehnt die Selbsttötung des Menschen grundsätzlich ab, weil das Leben ein Geschenk Gottes ist. In unserer Gesellschaft ist der Tod in den Alltag zurückgekehrt. Eben nicht nur im November. Wir Menschen werden älter, denken über das Sterben und die Bestattung nach und reden endlich wieder darüber. Es wird jetzt versucht, auch würdevoll zu sterben. Ermöglicht durch die Hospizbewegung und die Öffnung der Ärzte, hin zu einem möglichst schmerzfreien Sterben. Die Ärztin sprach es aus. Dita leidet an unheilbarer Leberzirrhose. Ihre Lebenszeit
beträgt wenige Monate. Sie zu füllen und sich ausreichend medizinisch wie pflegerisch begleitet zu erfahren, ist ihre Hoffnung. Viele Menschen plagt die Sorge, anderen zur großen Last zu werden. Es gibt kaum Angehörige und Freunde, die in der Nähe wohnen. Angst, für die Gesellschaft überflüssig, ja, ein überhöhter Kostenfaktor für die Krankenkassen zu sein, weckt das Bedürfnis, sich selbst das Ende zu setzen. Sterbehilfevereine, wie die schweizerische Dignitas, bieten Adressen und Möglichkeiten zur aktiven Selbsttötung. Unser Bundestag wird im nächsten Frühjahr entscheiden, ob diese Form der aktiven Sterbehilfe erlaubt wird oder weiter strikt verboten bleibt. Jeder Mensch trägt die Verantwortung für sein Leben. Sollte ich einen fremden Menschen aufsuchen,
der mir hilft, mein Leben zu beenden? Könnte nicht vielmehr diese letzte Lebenszeit bewusst erlebbar werden, um
auch würdevoll den Abschied zu lernen? Es gibt ambulante wie stationäre Hospize mit Menschen, die diese Absicht sehr praktisch unterstützen. Die Versorgung schwerstkranker Menschen wirkt erleichternd, wenn sie auf viele Schultern verteilt ist. In dieser Zeit erfahren Kranke und Angehörige dunkle und helle Phasen. Es wachsen Verbindungen über das Leben hinaus. Diese erlebten Erfahrungen könnten zu Erkenntnissen führen, die unverzichtbar werden. Im Folgenden stellt Herr Stolte die pflegerische Begleitung im stationären Hospiz
vor. Herr Burkhard beschreibt die palliative Versorgung in Göttingen. In einem Interview erörtert der Kirchenvorsteher und Mitglied der Tobiasbruderschaft, Herr Huhs, die gegenwärtige Bestattungskultur. Abschließend geht Pastorin Klasink auf die veränderten Bedürfnisse der Kirchenmitglieder ein und wie Pastor/innen bereit sind, sich dem zu öffnen.
Ich wünsche Ihnen, dass die weiteren Artikel für Sie eine nützliche Lektüre sein können und dass es hilft, das Thema Tod weiter aus der Tabu-Zone herauszuziehen.

Pastorin Jenny Robbert

Das Hospiz an der Lutter

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In der Trägerschaft des Diakonissenmutterhauses Ariel e. V. ist das Hospiz an der Lutter entstanden. Es befindet sich im Haus 3 auf dem Gelände des Evangelischen Krankenhauses Göttingen-Weende und ist wirtschaftlich, organisatorisch und strukturell selbständig. Das Angebot richtet sich an Menschen, die sich eine Begleitung auf der letzten Wegstrecke ihres Lebens wünschen. Die ehrenamtlichen MitarbeiterInnen des Ambulanten Hospizes, gegründet im Jahr 1992, begleiten schwerkranke und sterbende Menschen zu Hause, im Pflegeheim und im Hospiz. Sie unterstützen die Betroffenen zum Beispiel durch Besuche und Gespräche. Sie beraten, helfen je nach Situation, entlasten Angehörige und Freunde und sind da, wenn der Patient sie braucht.
Das Stationäre Hospiz an der Lutter wurde im Jahr 1997 eröffnet. Es ist eine wohnliche Einrichtung mit sieben Plätzen, in der schwerstkranke und sterbende Menschen aufgenommen werden, wenn ein selbständiges Leben zu Hause nicht mehr möglich und die Lebenserwartung sehr begrenzt ist. Fachkundige Pflege, kompetente liebevolle Begleitung, palliativmedizinische Versorgung und ein Seelsorgeangebot ermöglichen ihnen bis zuletzt ein selbstbestimmtes Leben in Würde, mit möglichst wenig Beschwerden und viel Lebensqualität. Im Hospiz steht der Patient im Mittelpunkt.
Der Tagesablauf jedes Einzelnen richtet sich nach seinen persönlichen Gewohnheiten und Bedürfnissen. So darf z.B. jeder Patient ausschlafen, sein Bier zum Abendbrot trinken oder seinen Hund zu Besuch haben. Pflege geschieht nur dann, wenn der Patient es wünscht und es für ihn am wenigsten belastend ist. In dieser Lebensphase sind oft die kleinen Wünsche das Größte: z.B. noch einmal das Lieblingsgericht essen, einen Ausflug in den Hospizgarten unternehmen, ein gutes Gespräch führen oder Besuch bekommen. Kontakte zu Familie und Freunden sollen erhalten bleiben; Angehörige sind jederzeit willkommen, deshalb gibt es auch keine Besuchszeiten. Die individuelle Versorgung erfolgt durch hauptamtliche und ehrenamtliche MitarbeiterInnen.
Es ist uns ein Bedürfnis, jedem Patienten so zu begegnen, wie er es braucht. Jedes Jahr werden zwischen 70 und 90 Patienten in unserem Hospiz bis zu ihrem Lebensende begleitet. Das Durchschnittsalter ist ca. 70 Jahre, der jüngste Patient war gerade 18 Jahre und die älteste Patientin 100 Jahre alt.
Die Kosten für den Hospizaufenthalt werden zu 90% von der Krankenkasse übernommen, 10% muss das Hospiz durch Spenden selbst aufbringen. Unsere Patienten sind von Zuzahlungen für den Aufenthalt im Hospiz befreit. Weitere Informationen erhalten Sie auf unserer Homepage: www.hospiz-goettingen.de
Wenn Sie Fragen haben, sind wir gerne für Sie da!

Torben Stolte, stellv. Leitung Stat. Hospiz
Das Hospiz an der Lutter

Was ist Palliativmedizin

"Wir wollen dem Leben nicht mehr Tage hinzufügen, sondern den verbleibenden Tagen mehr Leben geben."
(Cicely Saunders, Wegbereiterin der Palliativbewegung)

files/eddigehausen/Aktionen/Ehrenamtliche1.jpg Ehrenamtliche der Göttinger Palliativstation

Bis vor ca. 40 Jahren wussten in Deutschland sogar die meisten Mediziner nicht, was Palliativmedizin ist. Das Wort Palliativmedizin hat seinen Ursprung im Lateinischen: "pallium" heißt Mantel, und wie ein Mantel sollen alle Maßnahmen der Palliativmedizin den Schwerstkranken schützend umhüllen. Das Ziel der klassischen Medizin ist das Heilen. Aber bei unheilbar Kranken ist es oft eine Quälerei, sich in einer unpersönlichen Atmosphäre, an Schläuche und Maschinen angeschlossen, wiederzufinden.
Die Palliativmedizin beschreitet einen anderen Weg. Ihr Ziel ist es, den kranken Patienten weitgehend schmerzfrei ein Leben in vertrauter Atmosphäre mit möglichst viel Lebensqualität zu ermöglichen. In Göttingen wurde 1991 die erste Palliativstation eingerichtet. 2005 wurde dann ein Lehrstuhl für Palliativmedizin etabliert und ein neues Zentrum mit verzahnter ambulanter und stationärer Palliativbetreuung aufgebaut. Patienten und ihre Angehörigen können zu Hause, im Pflegeheim oder auf der Palliativstation im Klinikum betreut und begleitet werden. Dafür steht ein Team von Ärzten verschiedener Fachdisziplinen, Pflegekräften, einer Psychologin, einer Sozialarbeiterin, einer Musiktherapeutin, Seelsorgern, Physiotherapeuten und Ehrenamtlichen bereit. Haupt- und Ehrenamtliche stehen nicht in Konkurrenz, sondern ergänzen einander.
Eine ehemalige Isolierstation im Göttinger Klinikum wurde aufwändig zur Palliativstation umgebaut. Es wurde versucht, die sterile Krankenhausatmosphäre mit Farben, Bildern und Skulpturen aufzulockern, so dass man sich hier wohlfühlen kann. Die Station besteht aus zehn Einzelzimmern mit Blick ins Grüne. Jedes Zimmer hat eine kleine Terrasse mit Vordach und kann ggf. auch von außen betreten werden. Direkt vor der Station befindet sich der im Jahre 2009 durch Mittel des Fördervereins angelegte Patientengarten mit Blumen, Büschen und Bäumen und verschlungenen Wegen. Hier kann man spazieren gehen oder sich im Rollstuhl spazieren fahren lassen.

Peter Burkhardt

Bestattungskultur im Wandel
Persönliche Erfahrungen von Pastorin Christina Klasink

Zur Zeit meiner Kindheit in der Grafschaft Bentheim war es üblich, dass Verstorbene im Sarg bestattet wurden. Die engsten Angehörigen waren im Anschluss an die Trauerfeier mit der Herrichtung und Pflege der Grabstelle beschäftigt: Diese wurde aufwendig bepflanzt, musste regelmäßig gegossen und gepflegt werden. Nicht selten wurde ein kostspieliger Stein mit den Lebensdaten integriert. Ein gewisser sozialer Druck spielte ebenso eine Rolle: Man durfte das Grab nicht „verkommen lassen.“ In meinem Alltag als Pastorin mache ich mittlerweile die Erfahrung, dass die meisten Beisetzungen Urnenbeisetzungen sind.
Dies liegt nicht nur am geringeren Pflegeaufwand, sondern auch daran, dass die Angehörigen oft weit entfernt leben und sich nicht um die Grabpflege kümmern können. Doch nicht nur die Grabkultur ist im Wandel, auch bei Trauergesprächen nehme ich wahr, dass Angehörige von Verstorbenen unsicher im Bezug auf den Ablauf einer Trauerfeier und die darin enthaltenen Kirchenlieder sind. Oft herrscht Unklarheit, ob und wie eigene Wünsche und Vorstellungen bei der Gestaltung der Feier eingebracht werden können. Diese Unsicherheit lässt sich vor allem durch Offenheit und Gespräche lösen. Haben Sie den Mut, in ihrer Familie die Themen Sterben, Tod und Trauerfeier anzusprechen! Tauschen Sie sich über Wünsche und Erwartungen aus. Tritt dann irgendwann der Todesfall ein, sind viele Unsicherheiten schon aus dem Weg geräumt. Die individuellen Wünsche, die Angehörige äußern, sind meiner Erfahrung nach nicht exotisch, sondern naheliegend. So kann es sein, dass das Lieblingslied des Verstorbenen gespielt werden soll, Freunde persönliche Worte sprechen möchten. Jemand wünscht, noch einmal das Lieblingsgedicht der Verstorbenen zu hören oder es werden am Grab statt Blumen Kastanien niedergelegt, die mit Abschiedsgrüßen beschriftet wurden. Bei diesen persönlichen Wünschen bin ich gern zuerst Zuhörerin und dann Beraterin. Solange ich das, was dabei geäußert wird, zum christlichen Glauben in Bezug setzen kann, bin ich gern bereit, diese Wünsche in die Trauerfeier zu integrieren.

Interview mit einem Bestatter
Fabian Gregor im Gespräch mit Bestattermeister Stefan Huhs

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Stefan Huhs, Bestattermeister, wurde 2006 in Angerstein in den Kirchenrat gewählt, dessen Vorsitzender er mittlerweile ist.
Herr Huhs, wie kam es dazu, dass Sie Bestatter wurden?
Es begann mit einem Ferienjob in einer Tischlerei, der auch ein Bestattungsgeschäft angeschlossen war. Die Gesellen klagten, dass sie immer wieder ihre Arbeit unterbrechen mussten, um den Chef zur Durchführung von estattungen zu begleiten. Ich bot mich an, dieses zu übernehmen. In der Folge half ich bei Einsargungen und der Ausrichtung von Trauerfeiern. Nach der Ausbildung zum Tischler und Bestatter begann ich in Göttingen Theologie zu tudieren, spürte jedoch eine stärkere Berufung, als Bestatter zu wirken. 2005 begann ich die Ausbildung zum geprüften Bestatter, ein Jahr später die Ausbildung zum Bestattermeister. Tischlermeister und Bestatter Kurt Wolff stellte mich als Geschäftsführer ein. 2004 kaufte ich den Eheleuten Wolff das Geschäft ab.
Was schätzen Sie an Ihrem Beruf ? Was ist Ihre Motivation? Was ist Ihnen wichtig?
Ich bekomme es mit Menschen zu tun, die sich nach dem Tod eines nahen Angehörigen in einer Notlage befinden. Wenn ich anschließend das Gefühl habe, ihnen dabei geholfen zu haben, die äußeren Bedingungen zu schaffen, die es ihnen ermöglichen, sich auf die eigentliche Trauerarbeit zu konzentrieren, so ist dies eine starke Motivation für mich. Wichtig ist mir, die Würde der Verstorbenen durch kundigen Umgang, medizinische und forensisch korrekte Versorgung zu wahren.
Welches sind die Aufgaben eines Bestatters?
Da ist zunächst die Erledigung aller erforderlichen Formalitäten bei den Melde- und Standesämtern und den Rentenversicherungsträgern, darüber hinaus auf Wunsch auch die Beratung der Angehörigen bis in Details. Unter Umständen die Überführung vom Sterbeort, in jedem Fall die Versorgung und Einkleidung der Verstorbenen. Sehr wichtig als Schritt zur Trauerbewältigung ist es, den Hinterbliebenen die Abschiedsnahme am offenen Sarg zu ermöglichen. Auch die mehrtägige Aufbahrung zu Hause ist nach wie vor möglich. Ein umfassendes Beratungsgespräch zur Auswahl des Sarges und im Falle der Feuerbestattung zusätzlich einer Urne, die Vorbereitung und Durchführung der Trauerfeier und der Bestattung, das Erstellen von Trauerdrucksachen und Zeitungsanzeigen bis hin zur Danksagung.
Nehmen Sie einen Wandel in der Bestattungs-und Trauerkultur wahr?
Ja, es gibt einen starken Trend dahin, dass weniger Wert auf Zeit zum Abschied nehmen gelegt wird. Teilweise ist es schockierend, mit anzusehen, wie schnell die Erinnerung an ein Leben verschwindet. Ganz klar erkennbar ist der Trend von der Erdbestattung hin zur Feuerbestattung; so sind mittlerweile ca. 80% aller Bestattungen Feuerbestattungen. Eine starke Zunahme verzeichnen ebenfalls die Bestattungen im Friedwald. Seit Eröffnung des Friedwaldes Plesse im Mai 2010 haben dort bereits über 500 Bestattungen stattgefunden.
Sie gehören zur Tobiasbruderschaft Göttingen. Bitte erzählen Sie uns mehr!
Die Tobiasbruderschaft ist eine Initiative der Göttinger Innenstadtgemeinden und steht allen Männern, die sich in christlicher Verantwortung engagieren möchten, offen. Ihre Hauptaufgabe sieht sie darin, in der Stadt Göttingen zu einer würdigen Bestattung von Menschen ohne Angehörige oder eigene Mittel beizutragen. Die Bruderschaft lädt am ersten Samstag der Monate März, Juni, September und Dezember um 9.00 Uhr zu einem öffentlichen Abschiedsgottesdienst auf dem Friedhof Junkerberg ein. Die Einladung geschieht unter Namensnennung der Verstorbenen mit einer Traueranzeige im Göttinger Tageblatt. Mehr Informationen zur Arbeit der Bruderschaft finden Sie unter www.tobiasbruderschaft.de oder auf einem Infoblatt, das auch in meinem Geschäft im Feldtorweg 3 erhältlich ist.

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